Quo vadis Israel - Austausch mit erfahrenen Personen in bewegter Zeit
Von Hubert Keßler
Wir erleben dramatische Momente in Israel: den Ausbruch des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern, angefacht durch den erschreckenden Terrorangriff der Hamas auf Israel, die Ermordung und Geiselnahme vieler Menschen und darauf folgend die militärische Reaktion Israels im Gazastreifen, verbunden mit vielen (auch zivilen) Opfern, der Zerstörung lebensnotwendiger Grundlagen und vielen sogenannten „Kollateralschäden“.
Aber halt, hier stellt sich die erste Frage: Was ist der angemessene Blick auf die Situation. Abt Nikodemus Schnabel OSB von der Dormitio-Abtei hat kürzlich in einem Interview einen anderen Blick auf die Situation geäußert. In seinen Gemeinden hat er israelische Christen und palästinensische Christen und unter den Toten, sowohl beim Überfall der Hamas wie bei der Bombardierung des Gazastreifens, sind auch Christen. Zentral für ihn ist der Blick auf den Menschen, auf das Ebenbild Gottes, das der Mensch in allen drei Religionen ist. Er unterscheidet nicht nach Ethnien, sondern nach den Menschen, die Gott suchen und den Menschen, die den Streit und die Polarisierung suchen. Das zeigt seine Erfahrung. Die findet er auf israelischer und palästinensischer Seite. Und darin sieht er den eigentlichen Konflikt. Kann diese Sicht eine Hilfe sein oder ist sie, modern gesprochen, naiv?
Jens Rensmann
Eine der Fragen, die sich uns stellen, ist auf jeden Fall: Welche Aufgabe haben die Christen in diesem Land, in diesem Konflikt? Zu Beginn hören wir dazu drei bewegende Beispiele, erzählt von Andrea Avveduto, ein Journalist, der zuständig ist für die Kommunikation der Vereinigung pro Terra Sancta.
Andrea Avveduto
Zurück zur Situation: Ausgleichende Stimmen wie die von Kardinal Pierbattista Pizzaballa, von vielen um die Aussöhnung bemühten Israelis und Palästinenser, verhallen ungehört. Inzwischen wird dieser Konflikt, der für viele in seiner historischen, politischen und religiösen Weite nicht erfasst wird, nicht nur in die nächste Nachbarschaft Israel getragen, er schwappt über bis vor unsere Haustür. Erste politische Reaktionen war der Rekurs auf Israel und die deutsche Staatsräson. Verständlich angesichts der Gräueltaten und der eigenen Geschichte. Mit der flächendeckenden Bekämpfung der Hamas im Gazastreifen mit unzähligen Toten, wird diese Staatsräson von rechtlicher und philosophischer Seite diskutiert. Wie weit darf sie gehen? Gibt es Grenzen? Das Bundesinnenministerium hat die Betätigung der Terrororganisation HAMAS und des internationalen Netzwerks „Samidoun – Palestinian Solidarity Network“ in Deutschland verboten. Und sieht sich gezwungen, jüdische Einrichtungen zu schützen. In nicht wenigen öffentlichen Kundgebungen finden wir nun Israel auf der Anklagebank, natürlich gefördert durch die schrecklichen Bilder der Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler unschuldiger Palästinenser. An vielen Universitäten in Europa und in Amerika findet inzwischen eine Verknüpfung des Geschehens mit der postkolonialen Theorie statt. „Die Dämonisierung Israels ist derart tief in der postkolonialen Theorie und in weiten Teilen der Kulturszene verwurzelt, dass selbst der 7. Oktober daran wenig änderte“, schreibt dies ein Kommentar in einer großen Zeitung. Auch dies ruft uns dazu auf, nach einem angemessenen und umfassenden Urteilskriterium zu suchen. Weiter belastet wird das Geschehen durch das nicht entschuldbare Vorgehen ultraorthodoxer Siedler im Westjordanland. Das fordert zu einer angemessenen historischen Einordnung heraus. Immer wieder wird die Zweistaatenlösung ins Spiel gebracht. Kann das tragfähig sein angesichts tausender von Toten. Inzwischen ruft der lateinische Patriarch Pizzaballa, die Zweistaaten Lösung betonend, zu einem Blick von unten auf.
Letztlich bleibt die Frage, mit seinen Worten ausgesprochen „was danach kommt. Wie wird es weitergehen?“. Und worin liegt unser Beitrag?